Im Rahmen meiner Familienforschung hatte ich die Gelegenheit, im Bezirksarchiv in Eger verschiedene Dokumente
aus der Stadtgeschichte Sandau's einzusehen.
Unter anderem, stehen verschiedene Originale aus dem Mittelalter,
die Grundbuchunterlagen für Obersandau, das "Gedenkbuch der Freiwilligen Feuerwehr", das "Protokoll und Gedenkbuch des Christlichen Deutschen Frauenbundes Sandau und Umgebung" und die Pfarrchronik der Pfarrei St. Michael zur Verfügung.
Die Pfarrchronik wurde vom jeweiligen Pfarrer geführt und diente dazu "kirchenrelevante" Ereignisse zu protokollieren.
In Sandau wurde die Chronik, soweit es zu beurteilen ist, jeweils für das abgelaufene Jahr "in einem Stück" nachgeschrieben.
Es finden sich Vermerke über Kirchenbrände, Dekanatssitzungen, Schenkungen, Renovierungen der Kirche usw.
Am beeindruckendsten sind die letzten 8 Einträge, die vom Ortspfarrer Vikar
Franz Lenz in den Jahren von 1938 bis 1946 geschrieben wurden. Die Einträge sind hier im Original wiedergegeben:
19389.Oktober Angliederung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich. Einzug Hitlers in Eger. In den Tagen des Umsturzes auch etwas "Ramisouri" in Sandau, jedoch ohne rechte Begeisterung: ein Haeuflein gegen 50 Personen zieht ueber den Marktplatz und singt das Deutschlandlied mit Mueh und Not.
1940Der Seelsorger erhaelt am 14. November "Schulverbot", er unterrichtet die Kinder in Seelsorgestunde in Sandau in der Kirche, in Amonsgruen und in Markusgruen in den Kapellen der Orte, in Obersandau im Haus Nr.11 und in Zeidlweid in Franks Gasthaus.
1941Die Bittprozession auf Koenigswart und Maiersgruen fanden in diesem Jahr nicht statt. Christmette wegen Verdunkelung im Pfarrsaal, welcher als Kapelle eingerichtet wurde.
1942Am 13.Maerz wurde die mittlere Glocke fuer Kriegszwecke requiriert (die Grosse fiel 1917 zum Opfer). Christi Himmelfahrt und Fronleichnam werden zu Wochentagen degradiert, so dass kein Hochgottesdienst an diesem Tag stattfinden darf. Christmette in diesem Jahr ohne Beleuchtung in der Kirche.
1943Der Seelsorger haelt am Fest Christi Himmelfahrt am Abend einen Festgottesdienst als Vorbereitung auf die Firmung. Gestapo wird auf ihn deshalb gehetzt. Nach einer Erholungsreise nach Tirol wurde der Seelsorger am 31. August verhaftet und in Karlsbad als Haeftling interniert.
1944Der Seelsorger wird am 31.Januar nach Dachau in das Konzentrationslager transportiert.
1945Am 6.April wird der Seelsorger aus dem Konzentrationslager in Dachau entlassen und kehrt am Sonntag, den 8.April wieder heim in seine Pfarrgemeinde. Am 5.Mai ziehen die Amerikaner in Sandau ein. Ueberall machen sie sich breit, auch im Pfarrsaal nisten sie sich ein.
1946Auch der Seelsorger verlaesst unter dem Druck der Zeitverhaeltnisse seine Pfarrgemeinde, in der er 32 Jahre gewirkt, mit schwerem Herzen.
Alles moege geschehen in des Herren Willen.
(hier endet die Pfarrchronik von St.Michael)